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Cannabidiol verursacht keine THC-typischen Wirkungen
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im Sommer 2016 überraschte mich ein Artikel in der Zeitschrift Cannabis and Cannabinoid Research (Cannabis und Cannabinoidforschung), die vom Verlag in Zusammenarbeit mit der IACM und der ICRS (Internationale Cannabinoid-Forschungsgesellschaft) herausgegeben wird.
Die Autoren dieses Artikels, John Merrick und seine Kollegen, hatten mithilfe einer simulierten Magenflüssigkeit festgestellt, dass CBD (Cannabidiol) in einem großen Umfang zu Delta-9 THC und Delta-8 THC umgewandelt wird, sodass bei der Einnahme großer Cannabidiol-Dosen mit THC-typischen Effekten gerechnet werden müsse.
Sie warnten daher vor der oralen Einnahme von CBD. Da sich CBD aufgrund seiner vielfältigen therapeutischen Nutzungsmöglichkeiten einer wachsenden Beliebtheit unter Medizinern und Patienten erfreut, war die Studie von erheblicher Bedeutung, wenn sich die Schlussfolgerungen als haltbar herausgestellt hätten.
Einleitung
Cannabidiol (CBD) ist ein Cannabinoid der Cannabispflanze, das keine psychotropen Wirkungen ausübt. Es kann von therapeutischem Nutzen bei einer Anzahl von Erkrankungen sein, darunter Epilepsie, Angststörungen, Depressionen, schizophrene Psychosen, entzündliche Erkrankungen, Dystonie sowie Übelkeit und Erbrechen, ohne starke Nebenwirkungen zu verursachen.
Kürzlich veröffentlichten Merrick und Kollegen Ergebnisse einer experimentellen Studie, die zeigen sollten, dass CBD sich in einer sauren Umgebung, wie etwa im Magen, schnell zu THC umwandelt. Sie folgerten daraus, dass Patienten, die mit oralem CBD behandelt werden, THC-Spiegeln ausgesetzt sein könnten, die psychische unerwünschte Wirkungen verursachen können. Sie schlugen daher vor, andere Applikationsmethoden zu entwickeln, wie beispielsweise die transdermale Gabe, also die Gabe über und durch die Haut.
Zwei der 6 Autoren sind bezahlte Berater und weitere 3 der 6 Autoren arbeiten für Zynerba Pharmaceuticals, ein pharmazeutisches Unternehmen, das ein transdermales CBD-Gel entwickelt.
Die Studie von Zynerba Pharmaceuticals
Merrick und Kollegen fragten sich, ob einige Wirkungen von CBD, die in klinischen Studien beobachtet wurden, wie beispielsweise Müdigkeit, auf THC beruhen könnten, da CBD in einer sauren Umgebung schnell in Delta-9-THC und andere psychoaktive Cannabinoide umgewandelt werden könnte. Um diese Hypothese zu überprüfen, wurde die Bildung psychoaktiver Cannabinoide als mögliche Abbauprodukte von oralem CBD in einer simulierten Magenflüssigkeit untersucht. Aufgrund der geringen Wasserlöslichkeit von CBD wurde diese Löslichkeit verbessert, indem der Flüssigkeit ein Prozent Natriumlaurylsulfat hinzugefügt wurde.
Die Wissenschaftler haben eine Lösung hergestellt, in der 40 mg CBD in 1 ml Methanol gelöst war. Die simulierte Magensäure wurde hergestellt, indem 10 g Natriumlaurylsulfat einem Liter Flüssigkeit zugefügt wurde, die 0,1 Mol Salzsäure und 0,2 % Kochsalz enthielt. Dann wurde 1 ml der CBD-Lösung 500 ml der simulierten Magensäure zugesetzt und mehrfach innerhalb der folgenden 3 Stunden gemessen, ob Cannabidiol abgebaut wurde und andere Cannabinoide entstanden.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass nach 60 Minuten etwa 85 % des CBD abgebaut waren. Nach 120 Minuten waren es mehr als 98 %. Das bedeutet, dass nach 2 Stunden kaum noch CBD vorhanden war. Gleichzeitig entstanden Delta-8-THC und Delta-9-THC, wobei etwas mehr Delta-9-THC als Delta-8-THC festgestellt wurde.
Die Autoren konnten auf der Basis ihrer Messungen eine Gleichung entwickeln, mit der sich die THC-Menge, die nach der oralen Einnahme von CBD in einer sauren Umgebung entsteht, berechnet werden kann. Einschränkend weisen sie darauf hin, dass dieser Abbau in einer echten Magensäure „von vielen Faktoren abhängt, darunter (jedoch nicht beschränkt auf) die Partitionierung (Aufteilung) aus der lipiden Dosierungsform, der Enzymaktivität, der Emulsifizierung und des Fastenstatus. Die Bestimmung der tatsächlichen Löslichkeit von CBD in der Magenflüssigkeit würde Studien an menschlichen Probanden erfordern. Auf der Basis unserer Ergebnisse ist aber klar, dass zumindest ein Teil einer oral eingenommen CBD-Dosis löslich sein und zu THC abgebaut werden wird.“
Auf der Basis der ermittelten Gleichung machten sie folgende Abschätzung. Bei der Behandlung eines Patienten mit 700 mg oralem CBD, das in einer öligen Lösung verabreicht wurde, würde, selbst wenn nur ein Prozent der CBD-Dosis löslich wäre, innerhalb von 30 Minuten 6,5 mg THC und innerhalb von 60 Minuten 13 mg THC gebildet. Bei einer größeren Löslichkeit oder längeren Verweildauer im Magen könnten könnten noch deutlich höhere THC-Mengen gebildet werden.
Wirkungen hoher CBD-Dosen in klinischen Studien
In klinischen Studien verursachten selbst hohe orale CBD-Dosen keine THC- oder Cannabis-typischen Wirkungen. Im Gegenteil, CBD verursachte dem THC entgegengesetzte Wirkungen. THC-Wirkungen sind durch typische psychische Wirkungen, eine Beeinträchtigung der psychomotorischen und kognitiven Leistungsfähigkeit sowie eine Anzahl körperlicher Wirkungen, darunter Zunahme der Herzfrequenz und trockenem Mund, charakterisiert. Keine dieser Wirkungen wurde bei hohen oralen CBD-Dosen beobachtet. Hier einige Beispiele klinischer Studien.
Bei gesunden Freiwilligen reduzierte orales CBD in einer Dosis von 1 mg/kg Körpergewicht die Angst, die durch die gleichzeitige Verabreichung einer THC-Dosis von 0,5 mg/kg Körpergewicht verursacht wurde (Zuardi et al. 1982). Diese Blockierung der THC-Wirkungen „bezog sich auch auf Marihuana-ähnliche Wirkungen und zwei andere subjektive Veränderungen, die durch Delta-9-THC verursacht wurden.“
CBD wurde für die symptomatische Wirksamkeit und Sicherheit bei 15 Patienten mit Morbus Huntington untersucht (Consroe et al. 1991). Die Teilnehmer erhielten orales CBD in einer Dosis von 10 mg/kg Körpergewicht, also bei einer 70 kg schweren Person 700 mg täglich, für einen Zeitraum von 6 Wochen. CBD verursachte keine signifikanten oder klinischen Unterschiede im Vergleich zum Placebo in einem „Cannabis-Nebenwirkungsfragebogen“.
Die Vorbehandlung mit 600 mg oralem CBD reduzierte signifikant die Angst, die kognitive Beeinträchtigung und das Unbehagen bei Patienten mit generalisierter Angststörung, die an einem Simulationstest für öffentliches Sprechen teilnahmen (Bergamaschi et al. 2011).
Es ist bekannt, dass THC psychotische Zustände verursachen kann, aber es wurde in mehreren Studien gezeigt, dass CBD anti-psychotische Wirkungen hat. So erhielten 3 Patienten mit therapieresistenter Schizophrenie 4 Wochen lang orales CBD, beginnend mit 40 mg täglich, was bis auf 1280 mg pro Tag gesteigert wurde (Zuardi et al. 2006). Selbst in der höchsten Dosis gab es keine Nebenwirkungen. In einer doppelblinden und placebokontrollierten Studie mit 42 Patienten mit Schizophrenie, die an der Universität Köln durchgeführt würde, reduzierte orales CBD in einer Dosis von täglich 800 mg innerhalb von 2-4 Wochen signifikant die psychotischen Symptome (Leweke et al. 2012). Es traten keine relevanten Hertz-Kreislauf-Wirkungen oder psychischen Effekte auf.
In einer doppelblinden, placebokontrollierten Studie mit 16 gesunden Männern, in der die Wirkungen von 10 mg oralem THC mit 600 mg oralem CBD verglichen wurde, gab es keine Unterschiede zwischen CBD und dem Placebo bei irgend einem untersuchten Parameter (Martin-Santos et al. 2012). Die Einnahme von THC war dagegen mit Angst, Stimmung, positiven psychotischen Symptomen, körperlicher und seelischer Müdigkeit, subjektiver Berauschung und einer Zunahme der Herzfrequenz verbunden.
In einer Studie mit dem Titel “Opposite effects of delta-9-tetrahydrocannabinol and cannabidiol on human brain function and psychopathology” [„Gegensätzliche Wirkungen von Delta-9-Tetrahydrocannabinol und Cannabidiol auf menschliche Hirnfunktion und Psychopathologie“] mit 15 gesunden Männern zeigten THC und CBD gegensätzliche Wirkungen auf regionale Hirnfunktionen (Bhattacharya et al. 2010). Orales THC (10 mg) und orales CBD (600 mg) hatten gegensätzliche Wirkungen auf Funktionen aller untersuchten Hirnregionen (Striatum, Hippocampus, Amygdala, obere temporale Hirnrinde und occipitale Hirnrinde).
In einer offenen Studie erhielten 214 Patienten im Alter zwischen einem und 30 Jahren mit schwerer, therapieresistenter Epilepsie, die im Kindesalter begonnen hatte, 2,5 mg CBD pro kg Körpergewicht pro Tag (Devinsky et al. 2016). Die Dosis wurde solange steigert, wie sie gut vertragen wurde, maximal jedoch bis 25 oder 50 mg/kg Körpergewicht. Nebenwirkungen, die bei mehr als 10 % der Patienten auftraten, waren Schläfrigkeit bei 25 %, Abnahme des Appetits bei 19 %, Durchfall bei 19 %, Müdigkeit bei 13 % und Anfälle bei 11 %. Fünf Patienten stellten aufgrund der Nebenwirkungen die Behandlung ein. Es gab keine THC-spezifischen Nebenwirkungen.
Wie muss man die Studie einordnen?
In ihrer Studie stellten Merrick et al. (2016) fest, dass orales CBD bei Kindern mit Epilepsie relativ häufig Schläfrigkeit und Müdigkeit verursachte. Sie fragten sich, ob diese Wirkungen auf der Umwandlung von CBD in THC nach oraler Einnahme in der Magenflüssigkeit beruhte.
Allerdings sind diese Nebenwirkungen, die bei diesen Kindern, die an klinischen Studien teilnahmen, nicht für THC charakteristisch. Im Gegenteil, hohe orale CBD-Dosen zeigten in klinischen Studien gegenteilige Wirkungen zu THC bzw. Marihuana/Cannabis, z.B. einen reduzierten Appetit, eine verbesserte kognitive Leistungsfähigkeit sowie antipsychotische Wirkungen.
Angesichts der Daten, die in der Studie von Merrick et al. (2016) erhoben wurden, und der Beobachtungen in klinischen Studien, die hier vorgestellt wurden, ergeben sich vor allem 2 Erklärungsmöglichkeiten für diese Diskrepanzen.
1. Bei Menschen könnte CBD nicht in einem solchen Umfang zu psychoaktiven Cannabinoiden umgewandelt werden wie unter den experimentellen Bedingungen in der Studie von Merrick und Kollegen.
2. Es ist bekannt, dass CBD psychische und Herz-Kreislauf-Wirkungen von THC Wirkungen antagonisiert bzw. blockiert, sodass kleine THC-Mengen die Gesamtwirkung von CBD nicht beeinflussen könnten.
Es könnte auch eine Kombination aus beidem vorliegen. Was auch immer der Grund für diese Diskrepanz ist. Die Beobachtungen in klinischen Studien sind letztlich das, was zählt. Daher gibt es keinen Grund für die Annahme, dass der mögliche Abbau von CBD zu psychoaktiven Cannabinoiden in einer simulierten (!) Magenflüssigkeit „die klinische Reaktion beeinflussen und zu Nebenwirkungen führen könnte“ (Merrick et al. 2016). Es gibt daher keine Notwendigkeit durch die Entwicklung anderer Einnahmeformen, „das Potenzial für psychotrope Wirkungen zu eliminieren“.
Schlussfolgerung
Wenn auch die experimentelle Herangehensweise von Merrick und Kollegen von Interesse ist, so kann die Frage, ob dieses Ergebnis von klinischer Relevanz ist, nur am Menschen überprüft werden. Wir haben ausreichend Daten, um versichert sein zu können, dass die saure Magenumgebung während der Magen-Darm-Passage Patienten, die mit oralem CBD behandelt werden, NICHT „Konzentrationen von THC und anderen psychoaktiven Cannabinoiden aussetzt, die die Schwelle für eine physiologische Reaktion überschreitet“.
Die Schlussfolgerung von Merrick et al. (2016) könnte mehr auf den kommerziellen Interessen von Zynerba Pharmaceuticals beruhen als auf einer sorgfältigen Analyse der verfügbaren wissenschaftlichen Daten, die die gegenteilige Schlussfolgerung nahe legen, nämlich, dass die orale Verabreichung von CBD eine sichere und einfache Möglichkeit ist, um dieses Cannabinoid selbst in hohen Dosen in einem therapeutischen Kontext zu nutzen.