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Können Cannabis und CBD Krebs heilen? Der aktuelle Stand der Wissenschaft
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Es ist seit langer Zeit bekannt, dass THC und Cannabis Menschen mit Krebserkrankungen helfen können, die Erkrankung besser zu bewältigen.
Cannabisprodukte können gegen Übelkeit und Erbrechen helfen, den Appetit anregen, Schmerzen lindern, den Schlaf verbessern und die Stimmung aufhellen. Das ist in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben und berichten viele meiner Patienten.
Die Zuverlässigkeit der Wirkung hängt sehr stark von dem Symptom ab. Schmerzen werden nur bei einem kleineren Teil der Patienten gelindert. Der Appetit wird jedoch häufig gut angeregt.
Vieles hängt natürlich auch davon ab, ob das eingenommene Präparat auch gut vertragen wird. CBD hat dagegen keine Appetit steigenden Wirkungen und wirkt auch nicht gegen Übelkeit. Eine Studie an Tieren hat jedoch gezeigt, dass kleine Dosen THC und CBD gemeinsam gegen Übelkeit helfen könnten. CBD wirkt meistens nicht gegen Schmerzen, es kann jedoch bei einigen Menschen Ängste lindern sowie die Stimmung und den Schlaf verbessern. Manchmal kann es allerdings auch den Schlaf verschlechtern.
Die Wirkung auf die Krebserkrankung
Wenn es jedoch um den Einfluss auf die Krebserkrankung selbst geht, so ist es nicht lange her, da konzentrierte sich die Diskussion auf die Frage, ob Cannabis Krebs verursacht. Es gab Hinweise darauf, dass das Rauchen von Cannabis die Entwicklung von Lungenkrebs, von Hodenkrebs sowie von Kopf- und Nackenkrebs leicht erhöhen könnte. In den vergangenen Jahren hat sich der Fokus jedoch geändert. Heute lautet die Frage vor allem: können Cannabis, THC und CBD Krebs heilen bzw. etwas zu Heilung beitragen können? Dies basiert im Wesentlichen auf Ergebnissen der Grundlagenforschung mit Zellen verschiedene Krebsarten und Tieren sowie auf einer zunehmenden Zahl von Fallberichten über Personen, die entweder hochkonzentrierte Extrakte mit THC und/oder CBD selbstständig oder unter ärztlicher Anleitung eingenommen hatten.
Was ist Krebs?
Krebs ist ein breit verwendeter Begriff für Krankheiten, in denen sich Zellen ohne Kontrolle teilen und im Allgemeinen in andere Gewebe eindringen können. Krebs ist nicht nur eine Erkrankung, sondern viele Erkrankungen: Mehr als 100 verschiedene Krebsarten werden von der Weltgesundheitsorganisation hinsichtlich ihrer feingeweblichen Charakteristika beschrieben und wahrscheinlich gibt es Hunderte, wenn nicht Tausende Krebsarten, wenn man sie hinsichtlich ihrer molekularen und genetischen Profile betrachtet. In Deutschland erkranken jährlich etwa 500.000 Personen an einer Krebserkrankung.
Epidemiologische Studien
Die Epidemiologie befasst sich mit der Verbreitung sowie den Ursachen und Folgen von Erkrankungen und Symptomen in der Bevölkerung. Das unterscheidet epidemiologische Untersuchungen von klinischen Studien, in denen eine Gruppe von Patienten konkreten Behandlungen ausgesetzt wird. Verschiedene Institutionen in den USA von der Universität von Kalifornien und der Universität von Utah hatten im Jahr 2005 in Zusammenarbeit mit der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation die bisherigen epidemiologischen Daten zum Zusammenhang zwischen Cannabisrauchen und Krebs zusammengefasst. Es gab zum Teil leicht erhöhte und zum Teil leicht erniedrigte Krebsrisiken durch das Rauchen von Cannabis. Die Autoren kamen zu dem Ergebnis, dass bisher keine abschließende Bewertung möglich ist und fordern weitere methodisch gute Studien zum Zusammenhang zwischen Cannabisrauchen und Krebs. Obwohl Cannabisrauch qualitativ die gleichen Verbrennungsprodukte wie Tabakrauch enthält, abgesehen von Nikotin beim Tabak und Cannabinoiden beim Cannabis, fiel in der größten epidemiologischen Studie auf, dass Cannabisraucher ein statistisch nicht signifikant um etwa 20-30 % erniedrigtes Risiko für Lungenkrebs hatten, während Tabakrauchen mit einer erheblichen Zunahme des Risikos verbunden war. Die Autoren vermuteten, dass die krebsverursachenden Bestandteile des Rauches (Nitrosamine, Benzpyren, etc.) denen der krebshemmenden Bestandteile in Cannabis (THC und andere Cannabinoide) hinsichtlich ihrer Wirkung möglicherweise ungefähr die Waage halten könnten.
Wie hemmen Cannabinoide das Krebswachstum?
Seit Ende der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts wurde eine Anzahl von Mechanismen entdeckt, durch die verschiedenen Cannabinoide das Wachstum von Krebszellen hemmen oder sie abtöten (Abrams & Guzman 2020).
Dazu zählen folgende Mechanismen:
die Auslösung des Krebszelltodes durch sogenannte Apoptosen (programmierter Zelltod),
die Hemmung der Vermehrung von Krebszellen,
die Hemmung der Neubildung von Blutgefäßen im Tumor,
die Hemmung der Bildung von Metastasen (Tochtergeschwülsten), unter anderem durch eine Hemmung der Wanderungsfähigkeit von Krebszellen.
Es wurde in einigen Untersuchungen weitere Effekte beschrieben, darunter Wirkungen auf das Immunsystem, die dazu führten, dass Immunzellen die Krebszellen besser erkennen, oder eine Verhinderung der Chemoresistenz von Krebszellen durch Cannabinoide. Die Chemoresistenz ist vergleichbar mit der Resistenzbildung gegen Antibiotika bei Bakterien. Auch Krebszellen können eine Resistenz gegen bestimmte Chemotherapeutika entwickeln, sodass sie zunächst einige Monate lang erfolgreich wirken, und die Wirkung dann nachlässt. Interessanterweise induzieren Cannabinoide einen programmierten Zelltod von Krebszellen, ohne die Lebensfähigkeit nicht bösartiger, gesunder Zellen zu beeinflussen. Das unterscheidet Cannabinoide von anderen Chemotherapeutika, die auch gesunde Zellen schädigen können, mit allen negativen Auswirkungen (Haarausfall, Blutbildveränderungen, Schäden an den Schleimhäuten, etc.).
Zusammenspiel mit anderen Krebstherapien
In einigen Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die kombinierte Gabe von Cannabinoiden mit Krebsmedikamenten oder Bestrahlung sich gegenseitig verstärkte. Beispielsweise konnten Forscher bei Ratten nachweisen, dass sowohl CBD als auch THC wirksam gegen Glioblastome, sehr aggressive Hirntumoren sind. Wurden diese beiden Cannabinoide mit dem Standardchemotherapeutikum Temozolomid kombiniert, so waren die therapeutischen Wirkungen stärker als die eines jeden der drei Substanzen allein. Cannabinoide verstärkten auch die Wirksamkeit der Strahlentherapie beim Glioblastom. Auch für einige andere Chemotherapeutika fand sich eine Verstärkung der Wirkung durch die gleichzeitige Gabe von Cannabinoiden. Ein bekanntes Beispiel ist die gegenseitige Verstärkung des Chemotherapeutikums Doxorubicin und CBD bei Brustkrebs.
Ein Fallbericht mit THC-reichen Cannabisextrakten
Im Jahr 2014 veröffentlichten kanadische Forscher in der Fachzeitschrift Case Reports in Oncology den Fall eines 14-jährigen Mädchens, das an einer sehr aggressiven Form der akuten lymphoblastischen Leukämie litt (Singh & Bali 2013). Eine Knochenmarktransplantation, eine aggressive Chemo- und Strahlentherapie wurden durchgeführt. Die Behandlung wurde nach 34 Monaten beendet, weil man dem Mädchen nicht mehr weiterhelfen konnte. Ohne andere Lösungsmöglichkeiten, die durch konventionelle Therapieansätze außer einer Sterbebegleitung möglich gewesen wären, verabreichte die Familie der Patientin orale Cannabisextrakte, die vor allem reich an THC waren. Die Leukämie hat den Vorteil, dass man die Entwicklung der Anzahl der Krebszellen im Blut gut nachverfolgen kann. In den ersten Wochen der Behandlung stieg die Zahl der Leukämiezellen (Lymphoblasten) noch an, weil die verabreichte Cannabinoid-Dosis noch zu gering war, um bei den Krebszellen eine Apoptose zu induzieren. Dann jedoch nach einer Therapiedauer von 39 Tagen fiel die Zahl der Krebszellen im Blut von 374.000 pro Milliliter innerhalb weniger Tage auf unter 1000 pro Milliliter ab.
Einige Fallberichte mit CBD
im Oktober 2019 veröffentlichten Ärzte des Klinikums Klagenfurt in Österreich eine Fallreihe mit Patienten mit einem Glioblastom Grad IV, die zusätzlich zu ihrer Standardtherapie CBD erhalten hatten (Likar et al 2019). Sie weisen darauf hin, dass dieser Tumor mit einer medianen Überlebenszeit von etwa 14 bis 16 Monaten einhergeht. Die maximale operative Entfernung mit anschließender Strahlen- und Chemotherapie ist seit vielen Jahren die Hauptstütze der Behandlung, obwohl das Überleben nur um einige Monate verlängert werden kann. In ihrem Beitrag die Fachzeitschrift Anticancer Research wurden insgesamt neun aufeinanderfolgende Patienten mit diesem bösartigen Hirntumor als Fallserie beschrieben. Alle Patienten erhielten CBD in einer Tagesdosis von 400 mg (2 × 200 mg) gleichzeitig mit dem Standard-Therapieverfahren der maximalen operativen Entfernung mit anschließender Radiochemotherapie. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Artikels waren bis auf einen Patienten alle Patienten noch am Leben mit einer mittleren Überlebenszeit von 22,3 Monaten (Spanne: 7 bis 47 Monate). Dazu schreiben die Autoren: „Das ist länger als erwartet.“
Eine klinische Studie
Erstmals wurden im Jahr 2017 Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Studie veröffentlicht, die zeigt, dass Cannabis nicht nur im Tierversuch, sondern auch beim Menschen das Krebswachstum hemmen und das Überleben verbessern könnte (Twelves et al 2017). An dieser Studie nahmen 21 Patienten mit einem Rezidiv eines Glioblastoms teil. 12 Patienten erhielten das Standard-Chemotherapeutikum Temozolomid plus einen Cannabisextrakt, der THC und CBD in etwa gleicher Menge enthielt, und 9 Patienten erhielten die Standardtherapie mit Temozolomid plus Placebo. Nach einem Jahr lebten noch 53 % der Patienten, die nur Temozolomid und das Plazebo erhalten hatten, während die 1-Jahresüberlebensrate in der Cannabis-Gruppe 83 % betrug. Dieser unterschied war statistisch signifikant. Er spricht dafür, dass der Zusatz von Cannabinoiden das Therapieergebnis von Standardtherapien möglicherweise verbessern kann.
Testung auf Cannabinoidrezeptoren
Im Gehirn ist die Dichte von Cannabinoidrezeptoren besonders hoch, sodass es nicht überrascht, dass besonders verschiedene Hirnkrebsarten gut auf Cannabinoide ansprechen könnten. Cannabinoidrezeptoren sind jedoch im gesamten Organismus verteilt. Es könnte in der Zukunft sinnvoll sein, Krebszellen auf das Vorkommen von Cannabinoidrezeptoren zu untersuchen, um Hinweise darauf zu erlangen, ob Cannabinoide in diesen Fällen therapeutisch genutzt werden könnten.
Zusammenfassung und Schlussfolgerung
Zusammenfassend ist es wünschenswert, dass weitere klinische Studien durchgeführt werden, um das Potenzial Cannabinoiden in der Krebsbehandlung besser zu verstehen. Bis dahin werden noch viele Jahre vergehen, denn klinische Forschung ist immer mühsam und langwierig. In der Zwischenzeit werden wir mit einer Ungewissheit hinsichtlich dieser Frage leben müssen. Wir werden weiterhin von Heilungen von einzelnen Krebspatienten durch Cannabisprodukte lesen und hören. Es ist gleichermaßen unverantwortlich, wenn Personen – bekannt ist Rick Simpson – dafür plädieren zugunsten einer Verwendung von Cannabisprodukten auf eine normale, häufig zu einer Heilung führenden Krebsbehandlung zu verzichten, und andererseits unzutreffend, der Behandlung mit Cannabis bzw. THC und CBD einen möglichen Zusatznutzen in der Krebstherapie vollständig abzusprechen.
Literatur
Abrams DI, Guzmán M. Can Cannabis Cure Cancer? JAMA Oncol,16. Januar 2020 [im Druck] Grotenhermen F. Cannabis bei Krebs: mehr Chancen als Risiken? DZO (Deutsche Zeitschrift für Onkologie), 2018;50(4):188-192. Online frei verfügbar.
Grotenhermen F. Cannabis gegen Krebs: Der Stand der Wissenschaft und praktische Folgerungen für die Therapie. Solothurn, Schweiz: Nachtschatten Verlag, 2017.
Likar R, Koestenberger M, Stultschnig M, Nahler G. Concomitant Treatment of Malignant Brain Tumours With CBD - A Case Series and Review of the Literature. Anticancer Res. 2019;39(10):5797-5801.
Singh Y, Bali C. Cannabis Extract Treatment for Terminal Acute Lymphoblastic Leukemia with a Philadelphia Chromosome Mutation. Case Rep Oncol 2013;6:585-592
Twelves C, Short S, Wright S. A two part safety and exploratory efficacy randomised double-blind, placebo controlled study of a 1:1 ratio of the cannabinoids cannabidiol and delta-9-tetrahydrocannabinol (THC:CBD) plus dose-intense temozolomide in patients with recurrent glioblastoma multiforme (GBM). J Clin Oncol 2017;35(15 suppl): 2046.