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Pflanzliche Cannabinoide in Hanf, Pfeffer und Echinacea und das Cannabis-Dilemma
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Unter Phytocannabinoiden oder Pflanzencannabinoiden werden im Allgemeinen spezifische Inhaltsstoffe der Cannabispflanze (Cannabis sativa L.) verstanden.
Cannabinoid-ähnliche Strukturen sowie Pflanzenbestandteile, die an Cannabinoid-Rezeptoren binden, kommen jedoch auch in einigen anderen Pflanzen, wie beispielsweise Echinacea, bestimmten Moos-Arten, Basilikum und schwarzem Pfeffer vor.
Die Aufklärung der chemischen Struktur der Cannabinoide der Hanfpflanze
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es erhebliche Bemühungen, unter anderem in Deutschland von der Firma Merck in Darmstadt, aber auch in der Schweiz, Großbritannien und den USA, die Struktur der wirksamen Bestandteile der Cannabispflanze zu identifizieren. In einem Buch von Dr. C. Hartwich, Professor am Eidgenössischen Polytechnicum Zürich, aus dem Jahr 1911 mit dem Titel "Die menschlichen Genussmittel", heißt es im 18 Seiten umfassenden Kapitel "Hanf" über "den die Wirkung bestimmenden Bestandteil des Hanfes": "Man weiß seit langem, daß derselbe enthalten ist in dem harzigen Sekret eigentümlicher Drüsenhaare (…). Englische Forscher, Wood, Spivey und Easterfeld, hatten dann gefunden, daß, wenn man das Harz unter besonderen Vorsichtsmaßregeln der Destillation unterwirft, das Destillat wirksam ist. Aus dem unter etwas veränderten Bedingungen gewonnen Destillat isolierte Fränkel einen Körper, den er Cannabinol nannte und der konstant bei 215 °C siedet, also wohl ein chemisch einheitlicher Körper ist. Er ist ein schwachgelber Sirup von der Zusammensetzung C21H30O2, der den Charakter eines Phenols und eines Aldehydes haben dürfte."
Im Gegensatz zu vielen anderen medizinisch genutzten pflanzlichen Stoffen, deren chemische Struktur bereits im 19. Jahrhundert ermittelt wurde (Morphium, Salizylsäure, et cetera), gelang dies bei den Inhaltsstoffen der Hanfpflanze zunächst nicht, auch wenn die chemische Zusammensetzung des Delta-9-THC in dem Buch von Professor Hartwich aus Zürich bereits korrekt wiedergegeben wurde. Die fehlende Standardisierung führte im 19. Jahrhundert gelegentlich zu Dosierungsproblemen oraler medizinischer Cannabisextrakte.
Konsequenzen der späten chemischen Identifizierung von THC
Erst in den 1930er und 1940er Jahren wurde die chemische Struktur der ersten Phytocannabinoide, wie beispielsweise Cannabidiol, erfolgreich charakterisiert. Aufgrund der Vielzahl der Cannabinoide mit sehr ähnlichen chemischen Strukturen und ihrer Fettlöslichkeit waren moderne Trennmethoden erforderlich, um ihre exakte chemische Struktur aufklären zu können. Es dauerte bis zum Jahr 1964, bevor Delta-9-THC, das im Wesentlichen für die psychischen und die meisten übrigen pharmakologischen Wirkungen der Cannabispflanze verantwortlich ist, stereochemisch definiert und synthetisiert wurde.
Wäre es gelungen, die Struktur von THC 50 Jahre früher aufzuklären, wären Cannabis, einzelne Cannabinoide und synthetische Cannabinoide heute vermutlich ganz normale Medikamente, genauso wie Morphium und andere Opiate sowie Acetylsalicylsäure (Aspirin), eine synthetische Variante der natürlich vorkommenden Salizylsäure. Cannabis und die Cannabinoide wären wie andere vor mehr als 100 Jahren identifizierte medizinisch nutzbare Pflanzenbestandteile aufgrund der langen positiven Erfahrungen bei vielen Erkrankungen in die moderne Medizin übernommen worden. Stattdessen nahm die Verwendung von Cannabisprodukten nach ihrer Blütezeit zwischen 1880 und 1900 in Europa und Nordamerika rapide ab. Die meisten Ärzte wollten zunehmend nicht mehr mit nicht standardisierten Pflanzenprodukten arbeiten, sondern nur noch mit solchen, deren Inhaltsstoffe genau bekannt waren sowie mit neuen synthetischen Präparaten, wie beispielsweise den Barbituraten und anderen synthetisch hergestellten Medikamenten, die in die Arztpraxen drängten.
Das Cannabis-Dilemma
Heute werden Cannabis und einzelne Cannabinoide wie neue Medikamente behandelt, so als kämen sie frisch aus dem Labor eines pharmazeutischen Unternehmens. Sie müssen klinische Studien durchlaufen, die medizinisch verwendete Substanzen vor 50 oder 100 Jahren nicht durchlaufen mussten. Damals reichte es, wenn sich Medikamente über Jahrzehnte in der Praxis bewährt hatten, um allgemein anerkannt zu sein.
Heute stehen wir daher vor dem "Cannabis-Dilemma". Andererseits berichten Patienten und Ärzte von einer Vielzahl positiver Wirkungen bei schwer kranken Personen, die an vielen unterschiedlichen Erkrankungen leiden, darunter Schmerzerkrankungen unterschiedlichster Art von Phantomschmerzen bis Migräne, chronisch-entzündliche Erkrankungen wie Colitis ulcerosa und Rheuma, psychiatrische Erkrankungen wie Zwangsstörungen, Depressionen und posttraumatische Belastungsstörung, neurologische Erkrankungen wie Multiple Sklerose und Tourette-Syndrom, Appetitlosigkeit und Übelkeit aufgrund unterschiedlicher Ursachen und viele andere Erkrankungen mehr. Andererseits ist die wissenschaftliche Datenbasis, so wie man sie heute für moderne Medikamente verlangt, bei den meisten Einsatzgebieten nicht vorhanden. Die Ärzte und die Politik in verschiedenen Ländern gehen unterschiedliche Wege, um mit diesem Dilemma umzugehen. Einerseits darf man Patienten eine wirksame Therapie nicht vorenthalten. Andererseits sollen Medikamente heute nur zum Einsatz kommen, die strenge Prüfungen durchlaufen haben. Das ist eine der Lehren, die wir aus dem Contergan-Skandal in den sechziger Jahren gezogen haben.
Allerdings gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen neuen Molekülen aus den Laboren der pharmazeutischen Industrie und Cannabisprodukten: die möglichen Nebenwirkungen von THC, CBD und anderen Cannabinoiden sowie Ganzpflanzenzubereitungen sind über Jahrzehnte sehr gut untersucht worden. Mögliche Risiken sind bestens bekannt und können daher gut gegen den möglichen Nutzen einer Therapie abgeschätzt werden.
Cannabinoide der Hanfpflanze
THC bezeichnet meistens das natürlich in der Hanfpflanze vorkommende Isomer des Delta-9-Tetrahydrocannabinol, das vor allem im Zusammenhang mit seiner medizinischen Verwendung auch Dronabinol genannt wird. Am besten ist die Wirksamkeit von THC bei chronischen Schmerzen, Spastik, Übelkeit und Erbrechen sowie Appetitlosigkeit erforscht. Für viele andere Erkrankungen und Symptome liegen nur kleine kontrollierte oder offene Studien und zum Teil beeindruckende Fallberichte vor, darunter unter anderem für die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS), Morbus Crohn, Tremor, tardive Dyskinesie, schwerer Schluckauf, Juckreiz bei Lebererkrankungen, Glaukom, Asthma, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, Zwangsstörungen, verwirrtes Verhalten bei Morbus Alzheimer und Migräne.
Cannabidiol
Cannabidiol (CBD) ist das häufigste Cannabinoid im Faserhanf und in Drogenhanfsorten oft das zweithäufigste nach THC. CBD verursacht keine cannabistypischen psychischen Wirkungen. Es schwächt im Gegenteil die psychischen Effekte des THC ab. Für Cannabidiol sind angstlösende, antipsychotische, antiepileptische, entzündungshemmende, neuroprotektive, krebshemmende und brechreizhemmende Wirkungen beschrieben worden
Tetrahydrocannabivarin
Tetrahydrocannabivarin (THCV) ist ein Cannabinoid vom Delta-9-THC-Typ. Es kommt in einigen südafrikanischen Cannabissorten vor. In höheren Dosen verursacht THCV ähnliche Wirkungen wie THC am CB1-Rezeptor, mit den bekannten cannabistypischen psychischen Effekten. In niedrigeren Dosen wirkt THCV nicht aktivierend, sondern blockierend am CB1-Rezeptor. Daher könnte es zur Reduzierung von Appetit und Gewicht bei Fettleibigkeit eingesetzt werden.
Cannabichromen
Im Tierversuch wurden für Cannabichromen (CBC) entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkungen beschrieben. Ein CBC-Extrakt wirkte in einem Mausmodell für Depressionen stark antidepressiv. Darüber hinaus weist CBC antibiotische, antifungale und antitumorale Eigenschaften auf.
Cannabigerol
Auch für Cannabigerol (CBG) wurden schmerzlindernde, antidepressive und krebshemmende Eigenschaften beschrieben. Es wirkt leicht blutdrucksenkend. Cannabigerol ist ein starker Blocker am TRPM8-Rezeptor, der eine Rolle bei Blasenschmerzen, Hyperaktivität des Blasenmuskels und Prostatakrebs spielt, sodass CBG möglicherweise bei diesen Erkrankungen von Nutzen sein könnte.
Phytocannabinoide in anderen Pflanzen
Neben Cannabis enthalten einige weitere Pflanzen Verbindungen, die entweder die gleiche oder eine ähnliche chemische Struktur wie bekannte Cannabinoide aufweisen, oder Pflanzenbestandteile mit einer völlig anderen chemischen Struktur, die allerdings Cannabinoidrezeptoren aktivieren.
Strohblumen
Die Untersuchung einer südafrikanischen Strohblumenart (Helichrysum umbraculigerum) ergab den Nachweis von 11 Resorcinol-Derivaten, von denen die meisten eine nahe Verwandtschaft mit Cannabigerol und seiner entsprechenden Säure aufwiesen, wobei beide auch selbst in der Pflanze vorkommen. Diese Beobachtung hatten Wissenschaftler des Instituts für organische Chemie der Technischen Universität Berlin bereits im Jahr 1979 veröffentlicht. Das bedeutet, dass nicht nur Cannabis, sondern eben auch diese Strohblumenart Cannabigerol enthält. Es gibt etwa 600 verschiedene Strohblumenarten, von denen allein 244 in Südafrika vorkommen.
Lebermoose
Das neuseeländische Lebermoos Radula marginata der Gattung Radula (Lebermoose) enthält zwei Cannabinoide mit den Namen Perrottetinen und Perrottetinensäure. Japanische Wissenschaftler der Tokushima Bunri Universität berichteten im Jahr 2002 erstmals vom Nachweis dieser Cannabinoide. Die Struktur der Perrottetinensäure ähnelt der von Delta-9-THC. Auch das Lebermoos Radula perrottetii enthält cannabinoidähnliche Strukturen.
Echinacea purpurea
Zubereitungen von Echinacea purpurea (Purpurroter Sonnenhut) enthalten Alkylamide, die immunmodulatorische Eigenschaften, darunter die Beeinflussung des entzündungsfördernden Botenstoffes TNF-Alpha (Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha), aufweisen. Diese Effekte werden durch den Cannabinoid-2-Rezeptor vermittelt. Wurde der CB2-Rezeptor blockiert, so hatte der Echinacea-Extrakt keinen Einfluss auf die Konzentration von TNF-Alpha. Die Forscher der ETH Zürich (Eidgenössisch Technische Universität) wiesen in ihrer Veröffentlichung aus dem Jahr 2004 zudem nach, dass die Alkylamide vermutlich die wichtigsten wirksamen Substanzen in Echinacea sind. Bis dahin war unklar gewesen, wie Echinacea-Extrakte wirken. Da der Cannabinoid-2-Rezeptor erst im Jahr 1993 nachgewiesen wurde, ist es nicht verwunderlich, dass auch der Wirkungsmechanismus medizinischer Präparate aus dem Purpurroten Sonnenhut erst danach aufgeklärt werden konnte.
Schwarzer Pfeffer und Oregano
Auch das ätherische Öl Beta-Caryophyllen aktiviert den Cannabinoid-2-Rezeptor. Es findet sich reichlich im ätherischen Öl von Cannabis, aber auch in vielen anderen Pflanzen, die in der menschlichen Ernährung eine Rolle spielen, darunter Basilikum, Zimt, Kümmel schwarzer Pfeffer, Rosmarin und Oregano.
Der CB2-Rezeptor findet sich auf Immunzellen, vor allem T-Lymphozyten, Makrophagen, B-Lymphozyten und blutbildenden Zellen und im gesamten Gehirn auf verschiedenen Zellen, vor allem auf Mikroglia-Zellen. Im Magendarmtrakt ist er an der Regulierung der Entzündungsaktivität beteiligt. Säugetiere besitzen ein hoch entwickeltes Immunsystem, das sie vor potenziell schädlichen äußeren Einflüssen schützt und darauf abzielt, den Schaden zu verhindern, abzuschwächen und zu reparieren. Das Endocannabinoidsystem stellt über seine CB2-Rezeptoren einen Teil dieses Schutzmechanismus dar. Die Aktivierung des CB2-Rezeptors durch Pflanzencannabinoide könnte jedoch auch vor Arteriosklerose und Osteoporose schützen.